Urbane Ethiken
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Perspektivierungen

In allen Teilprojekten untersuchen wir das konfliktreiche Zusammenspiel von drei Formen städtischen Engagements, welches in ethischen Diskursen bzw. um ethische Diskurse und in alltäglichen Praktiken ausgetragen wird:

  • Setzungen von Modellen „guter“ und „richtiger“ städtischer Lebensführung durch verschiedene Institutionen
  • Informelle, „gelebte“ Ethiken des Städtischen, die in der Sprache der Akteur/innen (emisch) unterschiedlich artikuliert werden
  • Auseinandersetzungen und Aushandlungsprozesse.

Zur Untersuchung dieses Zusammenspiels werden folgende theoretische Perspektivierungen urbaner Ethiken eingesetzt:

Urbane Ethiken und soziale Kreativität

Untersuchung der Praxis und der gelebten urbanen Ethiken, in denen Akteur/innen (neue) Modelle des städtischen Zusammenlebens und der urbanen Lebensführung neu ausgestalten, gar als urbane Lebenskunst neu erfinden. Diese Form von sozialer Kreativität beobachten wir etwa in künstlerischen Gegenkulturen und Alternativmilieus, bei Protestaktionen, unter urbanistischen ExpertInnen aber auch in auf das „Private“ bezogenen Graswurzelbewegungen und alltäglichen Kämpfen, die immer wieder als selbstverständlich verstandene Regelungen herausfordern.

Urbane Ethiken und moralische Ökonomien

Moralische Ökonomien bezeichnen hier Vorstellungen städtischer Akteur/innen, die ihre Interessen mit Berufung auf althergebrachte moralische Grenzen zu wahren versuchen – und auf Unterstützung „von oben“ hoffen können. Diese Aushandlungsprozesse können sich in einen rechtsfreien Raum verschieben oder in Konkurrenz zum Recht treten. Darin liegt auch ein kritisches Potenzial urbaner Ethiken, etwa im Streit um die Nutzung von Ressourcen wie Wasser, oder, in der Stadtentwicklung, um bezahlbaren Wohnraum, aus dem für viele Akteur/innen mit der Zeit so etwas wie Gewohnheitsrechte entstehen - auch sie lassen sich als moralische Ökonomien begreifen.

Urbane Ethiken und Techniken des Regierens

Zugleich dienen stadtethische Leitbilder und die Konfliktaustragung mit Bezugnahme auf eine gute und richtige städtische Lebensführung auch als Techniken des Regierens, die oftmals einen Eindruck von Freiwilligkeit und Konsensorientierung erwecken. Schließlich geht es dabei weniger um eine unmittelbare Ausübung von Herrschaft; vielmehr werden die Stadtbürger im Rahmen ethischer Diskurse und durch das Schaffen von Räumen für selbstverantwortliche Akteur/innen augenscheinlich ohne Zwänge und Repressionsdrohungen gelenkt bzw. dazu angehalten, sich selbst zu lenken. Ethische Projekte entstehen meist über Koalitionen von staatlich-institutionellen und zivilgesellschaftlichen Gruppen, wie dies zum Beispiel bei umweltethischen Fragen sichtbar wird. Soziale Kreativität „von unten“ wiederum lässt eigene Formen der Selbst-Führung und Subjektivierung entstehen und bildet zugleich neue Ausschlüsse.

Urbane Ethiken und ihre Subjekte

Ethische Fragestellungen und Projekte erfordern und erschaffen auch ethische Subjekte beziehungsweise Subjekte urbaner Ethiken, die als Teilnehmer/innen stadtethischer Debatten anerkannt werden. Die Forschungsgruppe nimmt die Techniken in den Blick, mit deren Hilfe aus Menschen „ethische“ Subjekte werden sollen. Mittels urbaner Ethiken werden kulturelle Leitbilder „richtigen“ Verhaltens und richtigen Seins entwickelt: etwa der/die vorbildliche Stadtbewohner/in und green citizen, das verantwortungsbewusste Mitglied der Zivilgesellschaft, der opferwillige Untertan, die Kreativbürgerin und Unternehmerin. Damit entstehen - gewissermaßen als Bilder des stadtethischen Versagens - auch Gegenbilder eines schlechten, falschen Lebens in der Stadt.