New York City: Die „gerechte Stadt“ und die Gewalt der Ethik in politischen Protesten (2018 - 2021)
Welche Rolle spielen Städte, das Städtische und urbane Ethiken – als Visionen einer guten und gerechten städtischen Praxis – in aktuellen Protesten, insbesondere gegen rechtspopulistische und autoritäre Bewegungen und Regierungen? Wie gestaltet sich dabei das Verhältnis zwischen Protesten mit verschiedenen, auch widersprüchlichen Forderungen – zum Beispiel denjenigen, die einen Regierungswechsel zum Ziel haben und solchen mit eher „sozialen“ Forderungen, die sich nicht primär an Regierungen wenden, z.B. in Arbeitskämpfen oder lokalen Initiativen? Und inwiefern dient das städtische Leben in diesem Zusammenhang als – positiver und negativer – normativer Bezugspunkt?
Das sind die Leitfragen des New-York-City-Teilprojekts der ForscherInnengruppe. Es baut auf den Ergebnissen auf, die vom selben Team in der ersten Förderphase im Teilprojekt „Moskau: Urbane Ethiken des Protests und die „Gewalt der Ethik“ erarbeitet wurden.
Die Forschung wird sich dialogisch-ethnografisch mit unterschiedlichen Protestaktionen, -gruppen und ihren AkteurInnen beschäftigen. Zu Beginn stehen vor allem vier Aspekte im Fokus des Forschungsinteresses, in denen, so unsere These, eine größere kulturell-gesellschaftliche Konstellation/Konjunktur greifbar wird:
- die Taktiken und Strategien zur Erzeugung des „Gemeinsamen“ und des Konsenses und damit die Frage des „inklusiven“ (und insofern „ethischen“) Protestes, zu dem alle Stadtbewohner_innen Zugang erhalten sollen
- der Umgang mit Dissensen und Spannungen, die in der Erzeugung des „Gemeinsamen“ und von Konsens im Protest überwunden, verdeckt, unterdrückt oder auf die Hinterbühne verschoben werden, was einerseits auf eine mögliche „Gewalt der Ethik“ verweist, andererseits auf gesellschaftliche Widersprüche und deren (Vor-)Bedingungen, die mit Sprecherpositionen und Erfahrungen von/in Gruppen korrelieren und durch Krisen sichtbar werden
- die Auseinandersetzung innerhalb der Protestbewegung mit der (nicht zuletzt populistischen) Kritik an „privilegierten städtischen Liberalen“ und allgemeiner die figurierungspolitische Komponente dieser Konflikte, also die Konstruktion und Aushandlung von kulturellen Figuren bzw. Sozialfiguren
- explizite und implizite Entwürfe einer guten und gerechten Stadt: die Bezugnahmen, Anrufungen, Konstruktionen New Yorks als Zentrum oder auch als Insel der Vielfalt, Toleranz und Teilhabe und damit verbundene Auseinandersetzungen in verschiedenen Protestzusammenhängen.
Die ethnografische Forschung ist als Fallstudie angelegt, die vor allem den Besonderheiten einer spezifischen Situation nachgeht. Zugleich soll die Analyse im Sinn der extended case method über verschiedene Kontexte hinweg Überlegungen und Diagnosen aus anderen Teilprojekten der ForscherInnengruppe, insbesondere der Moskau-Studie der ersten Förderphase, fortführen und damit auch allgemeinere Fragen einer conjunctural analysis gegenwärtiger kulturell-gesellschaftlich-politischer Konstellationen weiterdenken.