Tokyo: Auf dem Weg zur Slow City? Strategien und Initiativen zur Entschleunigung urbaner Lebenszusammenhänge (2015 - 2018)
Der aktuelle Diskurs über das „gute Leben” in urbanen Räumen entwickelte sich in Japan unter anderem als Folge des Übergangs von einer langen Phase eines rasanten wirtschaftlichen Wachstums in eine vielgestaltige Phase der Stagnation, die in den 1990er Jahren einsetzte. Prozesse wie die Abwanderung der Industrie, Bevölkerungsrückgang abseits der Metropolen, die Überalterung der Gesellschaft sowie Strukturwandel und Reformen des Arbeitsmarktes führten zu komplexen Differenzen im sozialen Raum und machten es dringend nötig Stadtplanungsprozesse zu entwickeln, die auf diese Situation nachhaltig reagieren. Als Gegenmodell zur funktionalen, schnelllebigen und auf Effizienz und Wachstum ausgerichteten Stadt, an der es vielen Bürgern immer schwerer fällt teilzunehmen, entwickeln daher seit geraumer Zeit verschiedene Akteur/innen Strategien und Leitbilder für eine post-industrielle Stadt, welche auf Nachhaltigkeit, Entschleunigung und Stärkung der lokalen zwischenmenschlichen Beziehungen setzen. Dabei werden vor allem in Tokyo Überlegungen zu einer partiellen Entschleunigung aufgegriffen, welche ihren Ursprung im europäischen slow-city-Diskurs haben. Partiell deshalb, weil Tokyo, als eine der wenigen weiterhin wachsenden Metropolen Japans als ein konfliktreiches Spannungsfeld zwischen Wachstumsprozessen einerseits und Entschleunigungsprozessen andererseits verstanden werden muss. Das Projekt fragt nach den Eigenschaften von entschleunigten Räumen der Stadt und nach der sozialen Praxis, in denen Entschleunigung zum Vorschein kommt. Im Vordergrund steht dabei die Frage, welche ethischen Vorstellungen eines „guten Lebens“ die Aushandlungsprozesse leiten.
Zur kritischen Auseinandersetzung mit urbanen Entschleunigungsdiskursen im heutigen Japan und deren Verhältnis zu weiteren global zirkulierenden Diskursen vergleichbarer Art bedient sich das Projekt philologisch-hermeneutischer Methoden der Inhaltsanalyse, indem Aktionen, Äußerungen sowie Haltungen und Ansprüche maßgeblicher Akteursgruppen untersucht werden. Zur darauffolgenden Überprüfung der Übertragbarkeit des Slow-City-Diskurses auf ausgewählte Regionen in Tokyo setzt das Projekt auf ethnologische Methoden der teilnehmenden Beobachtung. Weiterhin werden halbstrukturierte Interviews und Umfragen unter ausgewählten Akteur/innen durchgeführt.